Fülle des Lebens

Gedanken zu den Blumen-Mandalas

Die Schönheit der Natur zeigt sich das ganze Jahr hindurch, in jeder Form und Farbe, im Blühen wie auch im Verblühen. Fülle und Leben stecken in den allerkleinsten Dingen, aus denen das große Ganze besteht.

Blumen spielen schon seit Jahrhunderten eine Rolle in der Kunst – ob als Buchmalerei, Kupferstich, Stillleben oder zeitgenössische Installation, ob naturalistisch, abstrakt oder symbolisch zu deuten. Oft geht es um das Spannungsfeld von Wachstum und Vergänglichkeit sowie von Natur und Künstlichkeit.

Blumen und Pflanzen allgemein sind essenziell in der Naturheilkunde. Zudem ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, dass Aufenthalte in der Natur das Herz-Kreislauf- und Immunsystem stärken, Kreativität und Lernfähigkeit erhöhen sowie Stress und die Anfälligkeit für Depressionen reduzieren.

Das Sammeln und Legen der Naturmaterialien empfinde ich als meditativ und beglückend. Am Anfang stehen das aufmerksame Spazierengehen und das Bild im Kopf, welches sich mit jedem neuen Fundstück verändert. Am Ende entsteht aus der Fantasie der Natur durch meine eigene Fantasie etwas Neues. Die Perfektion des Unperfekten, wie man sie in der Natur findet, ist auch mein Anliegen während der Arbeit mit Naturmaterialien, damit dem Künstlichen das Natürliche weiterhin innewohnt. Durch das Verändern des natürlichen Kontextes wird der Betrachter dazu eingeladen, die verwendeten kleinen Kostbarkeiten neu zu entdecken.

In jedem Mandala stecken viel Zeit und Liebe. Jedes nimmt mehrere Stunden in Anspruch, setzt eine genaue Beschäftigung mit den einzelnen „Zutaten“ voraus sowie Sorgfalt und Geduld mit den meist sehr zarten und dabei oft erstaunlich widerspenstigen Blüten und Blättern.

Traditionelle asiatische Mandalas gelten als Träger von Essenz und weisen dem Meditierenden den Weg nach innen.So wie die Sandmandalas des tibetischen Buddhismus zu den Elementen zurückkehren, sind auch die Blumen-Mandalas vergänglich. Noch während des Legens fangen sie an, sich zu verändern, werden schließlich von mir oder vom Wind der Natur zurückgegeben und existieren nur noch als Fotografie. Das Eintauchen in die Fülle des Lebens und das achtsame Wahrnehmen des Hier und Jetzt sind somit verbunden mit dem Bewusstsein für die Endlichkeit.

Das zu jedem Monat passende Haiku erweitert das Wahrgenommene um eine zusätzliche Ebene und kann vom Betrachter weitergesponnen werden. Das sehr limitierende Konzept der Jahreszeiten endet voraussichtlich mit der hier vorgestellten Reihe. Die nächsten Blumen-Mandalas werde ich frei oder für bestimmte Menschen gestalten.

Haiku zu den Blumen-Mandalas

Januar

(Efeu und Christrose auf Stein)

Eisiger Winter

Erinnerung in sich trägt

der Efeu schweigt

 

Februar

(Nelke und Rose auf Birkenrinde)

Birken stehen hell

Farben, erst noch Fantasie,

begrüßen das Jahr

 

März

(Löwenzahn und Tulpen auf Erde)

Löwenzahnmilch

läuft über die Kinderhand

die Augen leuchten

 

April

(Kamille und Gerbera auf Holz)

Frühlingsmorgen

die Wiese trägt Blumenschmuck

erwartet Besuch

 

Mai

(Gerbera und Dahlie auf Blättern)

Die Natur atmet

nach dem Regen noch tiefer

so auch ich

 

Juni

(Lavendel und Kirschen auf Stoff)

Zartes Gewisper

von Sommer auf der Zunge

süße Vorfreude

 

Juli

(Hortensie und Nelken auf Platanenborke)

Duft wie von Honig

blühendes Feuerwerk

Sinne betörend

 

August

(Sonnenblume und Disteln auf Gartentisch)

Sonne am Himmel

und in meinen Händen

geblendet von Gelb

 

September

(Apfel und Holunder auf Holz)

Septemberwind

bringt alles durcheinander

Pflanzen und Röcke

 

Oktober

(Lampionblumen und Beeren auf Stoff)

Die Nachbarn streiten

doch der Igel erkundet

die Schönheit der Nacht

 

November

(Rotklee und Eicheln auf Moos)

Zugvögel am Himmel

im feuchten Moos der Käfer

huscht unbemerkt weg

 

Dezember

(Steine und Zweige auf Schnee)

Stille ringsumher

nur der Schnee erzählt vom Weg

der alten Katze

 

Andrea Kristina Auffarth
25.03.1973 geboren in Ruit
1993 – 2005 Praktika in den Bereichen Bühnenbild, Messedesign und Text
10/1993 – 08/1995 Studium der Kunstgeschichte und der Literaturwissenschaft an der Universität Karlsruhe
11/1995 – 06/2004 Studium der Visuellen Kommunikation an der Hochschule für Gestaltung Offenbach a. M.
seit 2005 Arbeit als Texterin
2008 – 2018 zwölf weiterbildende Seminare im Bereich Psychologie und Achtsamkeitsmeditation
www.rea-ina.de
hallo@rea-ina.de