Wie ich male

Thema – Farben – Spachteln – Kratzen – Schreiben –Rahmen – Hinterleuchten

Es beginnt mit einem Thema oder einfach dem Wunsch zu malen.

Ich grundiere die Leinwand weiß, einfarbig oder mehrfarbig

Auf die Grundierung kommt eine weitere Farbschicht, oft einfarbig

Möglicherweise noch eine weitere Farbschicht, deckend oder teilweise deckend

Ich nehme den (großen) Messerspachtel und kratze in die Leinwand
oder male mit Spachteln Formen auf die Leinwand

Mehr und mehr wird die linke Hand aktiv. Sie ist die ungelenke Hand. Sie kommt vom Herzen, nicht vom Kopf. Sie produziert ungewollte, oft erstaunliche Formen.

Ich schreibe Texte auf die Leinwand – besser: ich kratze Texte. Leichte Texte, schwere Texte, ich kratze tief in die Farbschichten, oft mit voller Aggression und Körpereinsatz.

Ich schreibe in englischer Sprache – das hat persönliche Gründe.

Ich schreibe Gedichte, Gebete und eigene Texte. Ich lege meine ganze Emotionalität ins Schreiben. Und ich wünsche mir, dass sie für den Betrachter spürbar wird.

Ich drehe das Bild viele Male um eine viertel Drehung. Dadurch ergeben sich vier Möglichkeiten der Hängerichtung. Die veränderte Orientierung  und eine oft erstaunliche Veränderung seiner Wirkung auf den Betrachter.

Auf die Ränder der Leinwand schreibe ich ein Dank-Gebet Ich signiere nicht.

Die Bildfläche ist nicht opak. Sie ist durchscheinbar. Wenn die Bilder hinterleuchtet werden, leuchten die gekratzten Stellen auf, manchmal auch größere Flächen. 

Das Hinterleuchten und Beleuchten mit verschiedener äußerer Beleuchtung erzeugt verschiedene Sichtweisen. Es entsteht durch die Licht-Tiefe eine Dreidimensionalität.
Über die Stunden eines Tages erreicht das Bild durch die Veänderung des Tageslichts eine Vielzahl  von Erscheinungsformen.

Ich gebe den Bildern keine Titel. Denn der Betrachter sieht im Bild möglicherweise etwas ganz anderes als ich. Was der Betrachter im Bild sieht, erkenne ich oft wie ein „zweite Verstehen“ dessen, was ich gemalt habe. 

Kurz: Farben – Aufkratzen – Schreiben – Hinterleuchten

Einbettung von Martin Buber

Martin Buber (Religionswissenschaftler und Philosoph) sagt: Das Kunstwerk kommt nicht aus der Seele des Künstlers. Das WERKJ selbst tritt an den Menschen heran und fordert ihn.

Der Künstler tritt in eine Beziehung zum WERK.  Er kann es nicht erfahren und nicht beschreiben; nur verwirklichen. Das WERK wirkt am Künstler, der Künstler am WERK.

Das geschaffene WERK löst sich vom Künstler. Es wird ein Ding unter Dingen, erfahrbar und beschreibbar. Und der Betrachter kann dem WERK lebendig gegenübertreten. Es wirkt auf ihn. 

Das ist eine Interpretation von Buber’s Text in Seinem Buch ‚ICH und DU“

ZITAT

Das ist der ewige Ursprung der Kunst, dass einem Menschen Gestalt gegenübertritt und durch ihn Werk werden will. Keine Ausgeburt der Seele, sondern Erscheinung, die an sie tritt und von ihr die wirkende Kraft erheischt. Es kommt auf eine Wesenstat des Menschen an. Vollzieht er sie, spricht er mit seinem Wesen das Grundwort zu der erscheinenden Gestalt, dann strömt die wirkenden Kraft, das Werk entsteht.

….

Die Tat umfasst ein Wagnis: Das Grundwort kann nur mit dem ganzen Wesen gesprochen werden; wer sich drangibt, darf von sich nichts vorenthalten… diene ich ihm nicht recht, so zerbricht es, oder es zerbricht mich. 

Die Gestalt, die mir entgegentritt, kann ich nicht erfahren und nicht beschreiben; nur verwirklichen kann ich sie. Und doch schaue ich sie, im Glanz des Gegenüber strahlend, klarer als alle Klarheit der erfahrenen Welt. Nicht als ein Ding unter den „inneren“ Dingen, nicht als ein Gebild der „Einbildung“, sondern als das Gegenwärtige. …….

Und wirkliche Beziehung ist es, darin ich zu ihr stehe: sie wirkt an mir wie ich an ihr.

Schaffen ist Schöpfen, Erfinden ist Finden. Gestaltung ist Entdeckung. Indem ich sie verwirkliche, decke ich sie auf. Ich führe die Gestalt hinüber – in die Welt des ES. Das geschaffene Werk ist ein Ding unter Dingen, als eine Summe von Eigenschaften erfahrbar und beschreibbar. Aber dem empfangend Schauenden kann es Mal um Mal lebendig gegenübertreten.

Englische Übersetzung:

This is the eternal source of art: a man is faced by a form which desires to be made through him into a work. This form is not the offspring of his soul, but is an appearance which  steps up to it and demands of it the effective (acting) power. The man is concerned (confronted) with an act of his being. If he carries it through, if he speaks the primary word out of his being to the form which appears, then the effective power streams out, and the work arises.

….

The act includes a risk: the primary word can only be spoken with the whole being. He, who gives himself to it may not withhold  nothing of himself… the work demands. If I don’t serve it aright it is broken , or it breaks me.

I can neither experience or descibe the form which meets me, but only body it forth (carry it out). And yet I behold it, spendid in the radiance of what confronts me, clearer than all the clearness of the world which is experienced. I do not behold it as a thing among „inner“ things nor as an image of my „fancy“ („imagination“), but as that which exists in the present. …. And the relation in which I stand to it is real, for it affects me, as I affect it.

To produce is to draw forth, to invent is to find, to shape is to discover, in bodying forth (carrying out) I disclose.

I lead the form across – into the world of IT. The work produced is a thing among things, able to be experienced and described as a sum of qualities. But from time to time it can face the receptive beholder in it whole embodied form.

Helmut Kumm

kunst-offenbach.com